TTF INSIDE: Hallo Martin, du bist nun bereits seit 1974 Mitglied & Spieler der TTF Neuhausen. Du gehörst damit zu den Dinos in unserem Verein – viele Jahre warst du auch im Vorstand ehrenamtlich tätig. Heute geht es aber um deine spannende TT-Schiedsrichter-Laufbahn – faszinierend, wie lange du auch bereits neben dem Tisch aktiv bist. Wann hast du begonnen, deine erste Schiri-Prüfungen abzulegen und was hat dich dazu bewogen?
Martin: Ich habe mit 17 Jahren im Jahr 1978 die Prüfung zum damaligen Bezirksschiedsrichter abgelegt. Ich wurde im Vorfeld von unserem technischen Leiter angesprochen. Die Tatsache, bei Turnieren als Oberschiedsrichter (OSR) tätig sein zu dürfen, hat mir sehr imponiert. Und da ich nicht Nein sagen kann, hab ich das dann gemacht.
TTF INSIDE: Wie ging es dann mit deiner Schiri-Karriere weiter? Wann war dein erstes Highlight und welche Erlebnisse folgten?
Martin: 1983 habe ich die Prüfung zum Verbandsschiedsrichter abgelegt, 1994 folgte die Prüfung auf nationaler – und 2004 dann auf internationaler Ebene. Mein erster größerer Einsatz war die EM in Stuttgart 2009. Eigentlich dachte ich, dass das das Ende der Fahnenstange meiner Karriere wäre, aber es wurde eine neue Zusatzqualifikation eingeführt – der nationale Oberschiedsrichter (NOSR). Seit 2010 gehöre ich zu den rund 20 NOSR in Deutschland. Diese Schiedsrichter werden für nationale Großveranstaltungen als OSR eingesetzt. In dieser Funktion als OSR durfte ich einmal das Endspiel um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft – und zwei Mal das DTTB-Pokalfinale jeweils in der Stuttgarter Porsche-Arena leiten.
TTF INSIDE: Zuletzt warst du natürlich auch in Düsseldorf bei der Heim-WM in diesem Jahr im Einsatz – wie war dein allgemeiner Eindruck von dieser Mammut-Veranstaltung?
Martin: Die Veranstaltung war super organisiert. Interessant war auch, dass wir Schiedsrichter am selben Tisch mit den Spitzenspielern beim Essen saßen. Außer den Chinesen – die hatten sich irgendwie rar gemacht. Aber ich konnte den Weltmeister beim Training zusammen mit Timo Boll und Patrick Franziska beobachten. Leider war ich am ersten Turniertag vom Pech verfolgt. Von den geplanten 7 Einsätzen fielen leider 5 aus, weil Spieler nicht angereist waren. Leider war auch mein einziger Einsatz in der Haupthalle mit Spieler-Einmarsch und Lichteffekten betroffen.
TTF INSIDE: Im Tischtennis kommt ihr Schiedsrichter vermutlich noch recht nah an die Stars ran, oder? Findet auch immer wieder mal ein Austausch mit Timo, Dima & Co. statt – hast du eine Geschichte aus dem Nähkästchen parat? Wer ist/war dein Lieblingsspieler?
Martin: Als nationaler oder internationaler Schiedsrichter kommen wir hautnah an die Stars heran. Ein Austausch findet jedoch – zumindest bei mir – nicht statt. Ich will da absolute Neutralität bewahren und möchte kein kumpelhaftes Verhältnis mit den Spielern entstehen lassen. Lieblingsspieler sind alle, die sich fair verhalten. Hier sind sicher Timo Boll und auch Vladimir Samsonov leuchtende Vorbilder. Mit Samsonov hatte ich auch mal einen (für Samsonov) lustigen Vorfall: ich hatte ihn bei einem Europapokalspiel am Tisch und wollte den Aufschlag auswählen lassen. Hierfür werfen wir einen zweifarbigen Chip hoch und die oben liegende Farbe legt dann den Sieger der Wahl fest. Vor dieser Wahl hatte ich Samsonov (auf Englisch) gefragt, welche Farbe des Chips er denn haben möchte. Da er perfekt Deutsch spricht, antwortete er auf Deutsch und entschied sich für rot. Da ich aber voll konzentriert auf Englisch gepolt war, verstand ich ihn nicht und fragte nochmals auf Englisch nach. Er antwortete wieder in astreinem deutsch. Als er sah, dass ich immer noch lauter Fragezeichen im Gesicht hatte, sagte er: „ach so – red“ und da verstand ich ihn.
TTF INSIDE: Gibt es auch mal heftige & kontroverse Diskussionen mit Euch, wie in anderen Sportarten (Fußball, Handball,…) oder geht immer so alles harmonisch zu, wie von außen betrachtet?
Martin: Ganz so harmonisch ist es nicht immer. Aber in der Regel nicht so emotional wie im Fußball. Aber als OSR muss man schon sehr sattelfest sein, da dieser immer die letzte Entscheidung zu treffen hat und da gibt es auch schon heftige Diskussionen. Hauptsächlich um unzulässiges Schlägermaterial. Da ist die Einsicht, dass wir für einen fairen Sport eintreten nicht immer vorhanden.
TTF INSIDE: Gutes Stichwort „Schlägermaterial“, dieses Thema würde ich doch gerne noch etwas näher durchleuchten. Kommen unlautere Mittel (behandelte Beläge – Doping außen vor gelassen) im Profi-Bereich häufig vor – welche Konsequenzen drohen den Spielern? Wie hoch schätzt du dagegen die Dunkelziffer in unteren Spielklassen ein, wo keine Kontrollen stattfinden – gibt es Lösungsansätze um dieses Problem in den Griff zu bekommen?
Martin: Das ist ein umfassendes Thema.
Was wir Schiedsrichter ganz klar testen können, ist die Ebenheit, die Dicke und die Zulassung der Beläge nach der ITTF-Liste.
Was uns sehr schwer fällt, ist eine weitere unerlaubte Behandlung des Belags nachzuweisen. Hauptsächlich Noppen-Außen-Beläge werden unerlaubt behandelt. Da gibt es leider noch keine Testmethode, die absolut beweissicher ist. Da obliegt dem OSR die Entscheidung, ob er den Belag zulässt oder ob der OSR davon überzeugt ist, dass der Belag unerlaubt behandelt wurde und er ihn deshalb nicht zulässt. Die Konsequenzen sind eindeutig: Fällt ein Belag vor einem einzelnen Spiel durch, darf der Spieler nicht damit spielen. Er darf jedoch einen Ersatzschläger benutzen.
Fällt der Belag nach einem einzelnen Spiel durch, hat der Spieler das entsprechende Spiel nachträglich verloren.
In den oberen Klassen sind Manipulationen eher selten. In den unteren Klassen, wo jedoch keine OSR eingesetzt werden, schätze ich die Dunkelziffer doch sehr hoch ein.
Lösungsansätze gibt es kaum. Selbst wenn entsprechende Testgeräte entwickelt werden, müssten eben auch in unteren Spielklassen OSR eingesetzt werden, um dort die Übeltäter ausfindig zu machen. Dafür jedoch fehlen uns jedoch 50 bis 100 Schiedsrichter im Verbandsgebiet, um flächendeckend Kontrolleinsätze durchführen zu können.
Unseren Schiedsrichterbestand aufzubauen – davon träume ich. Wir sind in den letzten drei Jahren zumindest in der glücklichen Situation, den Bestand durch die angebotenen Lehrgänge halten zu können.
Ein Problem bei den Belägen ist auch, dass es vorkommen kann, dass ein Belag schon ab Werk zu dick produziert ist und damit unzulässig ist.
Im Profisport haben wir damit kein Problem, denn die Spitzenspieler bekommen handverlesene Beläge.
Aber im Amateurbereich gibt es immer wieder Probleme. Die Käufer der Beläge vertrauen logischerweise dem neu gekauften Belag und sind dann entsprechend erbost, wenn unsereiner den Belag dann aus dem Verkehr zieht. Und wenn es dann noch einen Jugendlichen trifft, ist die Empörung verständlicherweise groß.
Da gibt es nur einen Tipp: schon beim Kauf des Belags beim Händler die Dicke nachmessen lassen!!
TTF INSIDE: Hast du noch weitere Ziele/Pläne in dieser Tätigkeit?
Martin: Weitere Ziele habe ich als Schiedsrichter nicht mehr. Auf der Karriereleiter gibt es für mich auch nur noch die Stufe des Internationalen Oberschiedsrichters. Das werde ich nicht machen können. Da muss man sehr viel durch die Welt reisen und das kann ich zeitlich und finanziell nicht mit meiner Selbständigkeit vereinbaren. Auch meine Karriere als Funktionär werde ich nicht weiterentwickeln. Ich bin auch noch Schiedsrichter-Ressortleiter im Verband und bin da voll ausgelastet.
TTF INSIDE: Vielen Dank, lieber Martin für das offene Gespräch – wir wünschen dir weiterhin viel Spaß & Erfolg als TT-Ordnungshüter und im TTF-Dress natürlich eine erfolgreiche Saison!
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